Aus- einander- setzung mit Gewalt

Die hier vorgestellte Untersuchung ‘Aus- einander- setzung mit Gewalt’ führt auf der Basis des Orgonomischen Funktionalismus eine neue Perspektive in die Gewaltdebatte ein.

Die gewalttätigen Jugendlichen und der gewaltthematisierende Mainstream werden in den spezifischen Aspekten und in der Interaktion charakterisiert.
Neben den Unterschieden wird aber auch die Identität beider Seiten herausgearbeitet.

Erst aufgrund dieser umfassenden Perspektive können Schritte aus der periodisch auftretenden Gewaltproblematik entwickelt werden.

 

Gewalttätige Ausgegrenzte

Auf der Basis autobiografische narrativer Interviews kann die Perspektive gewaltkrimineller Jugendlicher ausführlich analysiert werden.

Es werden vier 'Typen der Ausgrenzungsbearbeitung' und entsprechende Beispielbiografien präsentiert.

Ausgehend von diesen komplexen Daten wird der Weg zur zugrundeliegeden Funktion 'Ausgegrenzte Bewegung' beschrieben.

Gewaltthematisierender Mainstream

Die den Tätern gegenüberstehende Perspektive wird anhand populärer Erklärungsansätze und als selbstverständlich mittradierte Modelle thematisiert.

Insbesondere wird so der Desintegrationsansatz (Heitmeyer), die Kontrolltheorie (Hirschi), das Gewaltmonopol (Hobbes) und der Zivilisiationsprozess (Elias) analysiert.

Alle Modelle werden in ihren Eigenständigkeiten und Gegensätzen dargestellt. Darüber hinaus werden sie auf eine allen zugrunde ligende Funktion der 'Autotranszendenz' zurückgeführt.

Die Bremsung

 

 

Auf dieser Seite geht es um die Funktion, die sowohl der Perspektive der Gewalttäter als auch die des gewaltthematisierenden Mainstream zugrunde liegt.

In dieser Funktion sind sie identisch.

Diese Funktion wird insbesondere mit Hilfe verschiedener Animationen dargestellt.

Aus-einander-setzung mit Gewalt:

Die Bremsung

In der Gesamtdarstellung habe ich darauf hingewiesen, dass nur nach der Lösung der folgenden Gleichung Wege aus der periodisch auftretenden Gewaltproblematik beschritten werden können.

Die Keule wurde inzwischen anhand der Funktion der Ausgegrenzten Bewegung und der Finger anhand der Autotranszendenz charakterisiert. In diesem Abschnitt geht es nun um die Funktion, die beiden zugrunde liegt.

Der Blog zum Thema
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Vorweg  

Dies ist eine sehr grundsätzliche Thematik. Sie betrifft zentrale Grundlagen des Orgonomischen Funktionalismus bzw. der Orgonomie. Gerade weil diese Annahmen sehr weitreichende Konsequenzen haben und gleichzeitig sehr umstritten sind bedarf es einer ausführlichen Darstellung und Diskussion. Im Buch 'Aus-einander-setzung mit Gewalt' löse ich dies u.a. durch eine Abgrenzung von Freuds Modell ein. Aber auch bei der Vorstellung des Modells von Reich leite ich die einzelnen Aussagen argumentativ ab und stelle sie in Beziehung zu sonstigen Aussagen der Arbeit.

Dies alles will und kann ich nicht im Internet vollziehen. Ich werde hier nur einige zum Verständnis der Funktion der Bremsung wichtige Aspekte herausnehmen und sehr grob darstellen. Ich werde nicht alle Begriffe herleiten und schon gar nicht die einzelnen Aussagen belegen. Statt dessen nutze ich hier die Möglichkeit mit einigen Filmsequenzen das Gesagte auf den Punkt zu bringen.

 
   
Die Lebensfunktion

Die Funktion des Orgasmus

Schon Ende der 20er Jahre beschäftigte sich Reich u.a. mit der Frage, inwieweit psychologische Vorgänge naturwissenschaftlichen, insbesondere physikalischen Messungen zugänglich gemacht werden können. Im Zentrum stand dabei die Sexualität, insbesondere der Orgasmus. Es wurde bald klar, dass die Mechanik (Spannung – Entspannung) eine große Rolle spielt, aber zur Charakterisierung des Orgasmus nicht ausreichte. Hinzu kam der energetische Aspekt (Ladung – Entladung). Beide Perspektiven für sich genommen boten interessante Einblicke, aber erst die spezifische Anordnung dieser Zugänge führte Reich zur so genannten Orgasmusformel:
Spannung -> Ladung -> Entladung -> Entspannung.

Diese Formel kann wiederum auf die Pulsation (alternierende Expansion <-> Kontraktion) zurückgeführt werden.

In der weiteren Forschung stellte sich heraus, dass diese Funktion nicht nur beim Orgasmus, sondern im ganzen Bereich des Lebens anzutreffen ist.
Nicht zuletzt durch Untersuchungen an Einzellern konnte Reich aufzeigen, dass schon die grundlegendsten Formen der Kommunikation auf diese Funktion zurückgeführt werden können.

Alle lebendigen Vorkommnisse lassen sich auf diese Funktion zurückführen. Da wo diese Funktion angetroffen wird spricht Reich von Leben.
Leben ist nicht eine bestimmte Anordnung von Aminosäuren usw., sondern Variationen der Lebensfunktion.

Gesundheit

Gesundheit liegt in dem Maße vor, wie diese Funktion ungestört zum Tragen kommt. Ein Merkmal ist dabei die Frage, inwieweit es tatsächlich zur Entspannung und Entladung kommt. Dies kann zum Beispiel an der Atmung, aber eben auch am Orgasmus beobachtet werden. Steht der 'Hingabe' an diese Funktion etwas im Wege?
Reich unterschied in diesem Sinn die orgastische Potenz für die Fähigkeit sich voll hinzugeben von der orgastischen Impotenz. Auf der Ebene der Charaktertypen unterschied er dem entsprechend zwischen dem 'genitalen' und dem 'neurotischen Charakter'. Reich wies darauf hin, dass diese Unterscheidung idealtypisch gemeint sei. Es geht nicht darum konkrete Menschen so zu charakterisieren, sondern bestimmte Formen des Lebens zu bestimmen.

In diesem Sinne ist auch die 'Bremsung' zu verstehen. Auch wenn diese Funktion nicht in Reinform anzutreffen ist, so ist es doch möglich, sie anhand einiger Merkmale von anderen Formen des Lebens abzugrenzen - zu kontrastieren.

 
   
Die Pulsation
Grafisch lässt sich die Pulsation als ein Kreis (bzw. Kugel) darstellen, der größer und wieder kleiner wird. Die Pfeile unterstreichen diese Bewegung.

Nachteil dieser grafischen Darstellung: sie suggeriert einen Körper, der sich im Raum bewegt. Dies trifft aber nur auf bestimmte Variationen der Pulsation zu (Soma), während sie bei anderen Variationen (z.B. Psyche) nicht gegeben ist.
Außerdem suggeriert sie in der Exaktheit des Kreises Perfektion. Perfektion ist im Bereich des Lebens aber nicht anzutreffen.

Variationen der Pulsation

Die Pulsation variiert in vielen Funktionsbereichen. Anders ausgedrückt: Für viele Funktionen ist die Pulsation die zugrunde liegende Funktion (CFP). Dies gilt z.B. für:

Soma

in diesem Funktionsbereich variiert die Pulsation als eine Bewegung vom Zentrum zur Peripherie (Expansion) und von der Peripherie zum Zentrum (Kontraktion).
Diese durch eine Hülle begrenzte Bewegung bestimmt die Organempfindung. Wie Reich z.B. an Amöben zeigen konnte greift jedes Lebewesen auf diese Wahrnehmungsfunktion zurück. Dem Eindruck von Außen entspricht demzufolge eine bestimmte Ausdrucksbewegung des Organismus: die Emotion (Herausbewegung).

Psyche

Im Bereich der Psyche wird die Pulsation als Angst (Kontraktion) und Lust (Expansion) variiert. Die wesentliche Funktion dieses Bereiches ist die Wahrnehmung der Empfindungen, also der Bewegungen auf der somatischen Ebene: die Selbstwahrnehmung.

Sozialbereich

Vorläufig gehe ich davon aus, dass die Pulsation in diesem Bereich in Rückzug von anderen Menschen (Kontraktion) und Kontakt (Expansion) bzw. Zuwendung variiert.
Es ist im Gegensatz zur Amöbe eine Ausdrucksbewegung, die neben der Organempfindung (Soma) auch von der Wahrnehmung der Empfindung (Psyche) bestimmt wird: es ist sinnhaftes Verhalten.

Diese Grafik verdeutlicht, an den Beispielen Psyche und Soma, wie die Pulsation in diesen Bereichen variiert wird.  
Aufbau der Bereiche

In den verschiedenen Funktionsbereichen wird die zugrunde liegende Pulsation spezifisch variiert. In diesen spezifischen Merkmalen sind sie sehr unterschiedlich und müssen auch klar getrennt werden. In der Pulsation sind sie aber identisch.

Abgesehen davon bauen die Funktionsbereiche aber auch aufeinander auf. Da im Bereich der Psyche die Organempfindung wahrgenommen wird, kann sie nur entwickelt werden, wo es den somatischen Bereich schon gibt. Eine Psyche ohne Soma ist nicht vorstellbar. Demzufolge kann es auch keinen Sozialbereich geben, wo nicht die Selbstwahrnehmung (Psyche) entwickelt ist. Kommunikation als somatische Ausdrucksbewegungen finden zwischen allen Lebewesen statt. Soziale Kommunikation (sinnhafte Ausdrucksbewegungen) können nur bei entwickelter Psyche stattfinden.

 

Der Mensch in Kontakt

Die Frage, ob der Mensch egoistisch oder sozial konstituiert ist, führt in die Irre: der Mensch ist aufgrund von Eigeninteresse auf sozialen Kontakt hin orientiert und auf diesen angewiesen. Dieser Kontakt kann wiederum nur hergestellt werden, wenn sich die beteiligten Personen offen darauf einlassen.
So erlaubt beispielsweise nur die Hingabe an den Geschlechtsakt die tatsächliche Entladung und Entspannung des Organismus im Orgasmus.
Noch besser lässt sich die Bedeutung des Kontaktes am Beispiel frühkindlicher Entwicklung verdeutlichen: Beim Säugling steht der Kontakt insbesondere zur Mutter im Mittelpunkt: „Die hervorragendste Kontaktstelle des Säuglingskörpers ist der bioenergetisch hochgeladene Mund und Schlund. Dieses Körperorgan steckt sich sofort der Befriedigung entgegen. Reagiert nun die Brustwarze der Mutter auf die Saugbewegung biophysikalisch korrekt mit Lustempfinden, so erigiert sie kräftig und die orgonotische Erregung der Brustwarze fließt mit der des Säuglingsmundes in eines, genau wie bei einem orgastisch befriedigendem Geschlechtsakt männliches und weibliches Genitale orgonotisch erstrahlen und verschmelzen. Darin ist nichts 'Besonderes’ oder 'Widriges’. Jede gesunde Mutter erlebt die Lust des Säugens freudig und hingegeben.“ [1]
Dieser orgonotische (energetische) Kontakt ist die Grundlage für den emotionellen Kontakt. Dem Säugling stehen dafür verschiedene Ausdrucksformen zur Verfügung: Grimassen, Arm-, Bein- und Rumpfbewegungen, Augenausdruck, Weinen und Schreien. Er ist sowohl auf energetischer, als auch auf emotioneller Ebene darauf angewiesen, wahrgenommen und verstanden zu werden. „Zentrierung, Selbstkontakt und inneres Gewahrsein sind für die Eltern wichtige Voraussetzungen für das Gelingen der frühen Beziehung zum Säugling.“ Nur so ist es möglich, sich von den „Ausdrucksbewegungen des Säuglings 'beeindrucken’ zu lassen.“ [2]
Kontakt hat somit immer eine doppelte Bedeutung. Zum einen bezieht er sich auf den eigenen Organismus und heißt nichts anderes als sich der Lebensfunktion in ihren Variationen hinzugeben. Zum anderen ist dies gleichzeitig die Art des Mitschwingens mit einem anderen Lebewesen (auf psychischer Ebene: Identifizierung). Der Kontakt ist somit bestimmend für die weitere Entwicklung des Säuglings.
In einer ihm positiven gegenüberstehenden Umwelt können sich die Variationen der Lebensfunktion beim Säugling entfalten. Auf der Basis der emotionellen Beweglichkeit entwickelt sich eine entsprechend umfassende Organempfindung, die Selbstwahrnehmung ist korrekt und das sich entwickelnde bewusste Denken steht im direkten Kontakt mit der Umgebung. Auch die Handlungen haben in der Lebensfunktion einen selbstverständlichen Orientierungspunkt bzw. sind mit den anderen Ausdrucksbewegungen in ihr identisch. Wachstum heißt in diesem Sinne auch, dass sich neue Funktionsebenen aufbauen. Im Jugendalter entwickelt sich so die genitale Sexualität und mit ihr eine weitere Ausweitung der sozialen Kontakte.

[1] Reich (1994): Der Krebs. S.384

[2] Harms (2000): Emotionelle erste Hilfe. S.204

Vorübergehende Kontraktion
  • In der Ruhephase pulsiert des Lebewesen in den verschiedenen Funktionsbereichen.
  • Bei bestimmten äußeren Reizen kontrahiert der Organismus. Dies ist eine rationale Ausdrucksbewegung (Kontraktion) in Bezug auf den Eindruck (Reiz).
  • Nach dem Verschwinden des Reizes tritt die Gegenbewegung (Expansion) ein und das Lebewesen kommt wieder in die pulsierende Ruhephase.

Beispiel: Erschreckt man sich, kontrahiert der ganze Organismus: die Schultern ziehen sich zusammen, der Oberkörper duckt sich, die Atmung wird angehalten, bestimmte Hormone werden ausgeschüttet, Angst wird wahrgenommen usw.
Ist der Schreck vorbei holen wir tief Luft, der Oberkörper weitet sich wieder usw.

Der Vorgang wird vielleicht deutlicher wenn Sie versuchen entsprechend der Kugel zu atmen. Dies gilt auch für das folgende Beispiel.
   
Bremsung
Um die Bremsung zu verdeutlichen greife ich auf zwei von Reich entwickelten Modellen  
Dreischichtenmodell (Struktur)

1. Ruhephase

In der Ruhepaphe herrscht die Pulsation vor: eine fließende Bewegung zwischen Expansion und Kontraktion.

 

2. Repression

Unter Repression werden hier alle Phänomene gezählt, die den Organismus dauerhaft daran hindern, voll zu pulsieren. Dies kann z.B. der fehlende Kontakt der Eltern zum Kleinkind sein. [3] Wichtige Bedürfnisse werden so nicht wahrgenommen und können auch nicht befriedigt werden. Aber auch eine lebensfeindliche Umwelt wie Krieg, Dürre und Hunger können genannt werden. [4]
Diese Repression legt sich wie ein zu enger Gürtel um das Lebewesen. Die Bewegung des Organismus passt sich dieser Umwelt an. Sie setzt in einer entsprechenden Ausdrucksbewegung den Eindruck um. Die Expansion kommt nicht mehr voll zum Tragen und anstelle der fortlaufenden alternierenden Bewegung der Pulsation tritt ein Moment der Starre .
Grundlage dieser Veränderung ist der Kontakt zwischen dem Lebewesen und der Umwelt. Sie ist in diesem Sinne rational.

[3] vgl Harms (1999), Thomas: Instroke und frühe Säuglingsentwicklung. Theorie und Praxis der bioenergetischen Säuglingsforschungen Wilhelm Reichs. In: Lassek, Heiko (Hrsg.): Wissenschaft vom Lebendigen. Berlin 1999, S.193-260
[4] vgl. die Saharasia These von James DeMeo

3. Panzerung

Aufgrund der Dauerhaftigkeit der Repression verändert sich die Struktur des Lebewesens. In der lebendigen Einheit bildet sich eine Schicht heraus, die die äußere Repression repräsentiert.
Bis jetzt nahm der Organismus bei jeder Expansion die Repression wahr und reagierte z.B. mit Starre (einer gegen die Expansion gerichtete Kontraktion), die im psychischen Bereich als Angst variiert.
Mit Hilfe der Internalisierung der Repression ist die Wahrnehmung derselben nicht mehr notwendig.
Der Organismus reagiert auf die Umwelt nicht mehr mit Starre, sondern er ist starr! Diese Anpassung hilft ihm beim Überleben in einer lebensfeindlichen Welt.

 

4. unabhängige Panzerung

Der Nachteil dieser Anpassung liegt darin, dass sie leicht irreversibel wird. Für den Fall, dass dem Lebewesen neue Ressource zur Verfügung stehen oder gar die äußere Repression verschwindet, ist es wahrscheinlich, dass der Repräsentant der Repression als innerer Panzer bestehen bleibt. Das Lebewesen hat an dieser Stelle nicht mehr die Möglichkeit der Wahrnehmung der Umwelt. Die Expansion bleibt unabhängig von der Umwelt eingeschränkt.
Nicht der Kontakt zur Umwelt bzw. die intakten Wahrnehmungen begründen die Starre, sondern die Selbstbehinderung der gepanzerten Struktur. Dies Lebewesen ist in seinem Ausdruck irrational geworden.

 

5. Sekundäre Schicht

Die Integration der Repression in die Struktur des Lebewesen führt zur Zergliederung desselben. Das Lebewesen ist nicht mehr einfach durch die expansive und kontrahierende Ausdrucksbewegung bestimmt, sondern beschränkt sich selbst in dieser Bewegung. Diese Zergliederung der Struktur hat Konsequenzen auf die Bewegung als solche. Dieser Veränderung wird durch die so genannte 'sekundäre Schicht' verdeutlicht. Es ist eine um die Möglichkeit der Pulsation beraubte Bewegung. Gegen diese Schicht richtet sich die äußere repressive Schicht.

 

6. Außenansicht

Der Ausdruck des Lebewesens hat sich grundsätzlich geändert. Das kräftige und durch fließende Pulsation bestimmte Lebewesen ist kaum wiederzuerkennen. Nach außen zeigt sich vor allem die an der Repression angepasste dritte Schicht. Von da hat es auch die graue Färbung bekommen. Diese Schicht lässt die Expansion nicht mehr voll zu.
Das Durchscheinen der sekundären Schicht macht die Zergliederung des Lebewesens deutlich. Es bewegt sich nicht mehr als Einheit, sondern in sich widersprüchlich.
Dementsprechend ruckartig und der Umwelt unangepasst sind die Bewegungen.

 
Funktionsschema (Bewegung)  

1. Ruhephase

Der blaue Pfeil steht für den nach außen gerichteten Ausdruck des Organismus. Er ist kräftig und eindeutig.

2. Repression

Entsprechend dem Dreischichtenmodell stellt sich dem eine dauerhafte Repression gegenüber.

 

3.-5. Panzerung

Diese Repression kann zu einer grundlegenden Veränderung des Ausdrucks führen. Es kommt zu einer Aufspaltung des eindeutigen energetischen Ausdrucks. Ein Teil der Energie (schwarzer Pfeil) wendet sich entsprechend der äußeren Repression gegen den eigenen Ausdruck.
Aufgrund der Aufspaltung hat sich der nach außen strebende Ausdruck (roter Pfeil) verändert.

Es entsteht eine Grenze innerhalb des Organismus. Aufgrund der Aufspaltung stehen sich dort die durch Starre gekennzeichnete innere Repression und der von Heftigkeit geprägte sekundäre Ausdruck gegenüber.

Die Repression 'wehrt sich' gegen die strukturlose heftige Bewegung, dem Chaos und drängt auf Zurückhaltung. Die sekundäre Bewegung 'wehrt sich' gegen die starre Einengung, dem Käfig und drängt auf Durchbruch.

In der gemeinsamen Grenzarbeit stabilisiert sich dies Gebilde.

So unterschiedlich und v.a. widersprüchlich beide Seiten sind, so sehr sind sie doch von einander abhängig. Nur die fortwährende Aufspaltung ermöglicht diese Grenzarbeit.

Mit der Verlagerung der Grenzarbeit nach Innen verliert die äußere Repression langsam an Bedeutung. Die Aufpaltung und Gegensatzanordnung ist nun nicht mehr Reaktion auf einen Reiz, sondern dient der Stabilität der eigenen Struktur.

 

6. Außenansicht

Nach Außen (grauer Pfeil) kommt nicht einfach die Pulsation zum Ausdruck, sondern die in sich aufgespaltene und widersprüchliche Anordnung. Jeglicher Ausdruck ist in sich widersprüchlich und geprägt von der gleichzeitigen Starre und Heftigkeit. Das Lebewesen erscheint unharmonisch und zergliedert.
Primär ist die nach Außen gerichtete Maske der dritten Schicht sichtbar. Der sekundäre Impuls scheint ab und zu mit seiner Heftigkeit hindurch. Dies gilt v.a. wenn das Gleichgewicht des Widerspruches zeitweise destabilisiert ist.
Der Kern wird von der Doppelschicht vollständig verdeckt.

 
Gesamtansicht  

Charakteristisch für die Bremsung ist der Doppelring, der sich um den Kern gelegt hat und vom aufgespaltenen und widersprüchlich angeordneten Ausdruck getragen wird. Die durch die Pulsation strukturierte Bewegung zerfällt. Die (strukturlose) Bewegung auf der sekundären Schicht wird heftig und die (bewegungslose) Struktur auf der dritten Schicht wird starr. Das Antlitz des Lebewesens wird zur Maske [5].

Die Struktur der Bremsung wird am deutlichsten durch das Dreischichtenmodell, also dem Doppelring, der den Kern umhüllt. Die Dynamik wird aber erst durch das Funktionsschema mit der Aufspaltung der Einheit, Widerspruchsanordnung der Spaltungsprodukte und Abhängigkeit in der Stabilisierung des Gesamtgebildes deutlich.

Gegenüberstellung: Pulsation <-> Bremsung

Anhand der bisher vorgestellten Modelle kann Pulsation von der Bremsung in kontrastiert werden. Ich nenne in der folgenden Tabelle einige wichtige Merkmale:

gegenüberstellen. Der Begriff Bremsung bringt zum Ausdruck, dass das Lebenwesen sich selbst behindert, ähnlich

 
Pulsation
Bremsung
Bild
  • Jahreszeiten
  • Ein Auto, in dem gleichzeitig Gas und Bremse betätigt werden.
Bewegung
  • voll ausschlagend
  • Zurückhaltung
Grenzarbeit
  • Die wesentliche Grenze bei einem Lebewesen ist die separarierende Grenze von der Umwelt: Innen <-> Außen.
    Grenzarbeit ist das Abtasten der Umwelt: die Wahrnehmung. die Grenzarbeit ist der Kontakt zur Umwelt .
  • Die Grenzarbeit verlagert sich nach innen. Es ist kein Abtasten der Umwelt, sondern ein Konflikt, ein Widerspruch, der bearbeitet wird. In der Grenzarbeit wird die Bremsung stabilisiert. Der Kontakt geht verloren.
Erscheinung
  • eine differenzierte Einheit
  • eine differenzierte Widersprüchlichkeit

 

usw..

   
[5] Canetti hat die Starre treffend als Verlust der „Freiheit des Gesichtes“ beschrieben: „Das fluide Treiben unklarer, halb ausgegorener Verwandlungen, deren wunderbarer Ausdruck jedes natürliche, menschliche Antlitz ist, mündet in der Maske; [...] Die Maske ist klar, sie drückt etwas Bestimmtes aus, nicht mehr, nicht weniger. Die Maske ist starr: dieses Bestimmte ändert sich nicht.“ Canetti (1999): Masse und Macht. S.444
 

 

 
   
Was fehlt?

Nachdem die Perspektive der gewalttätigen Jugendlichen durch die Funktion der 'Ausgegrenzte Bewegung' und die des gewaltthematisierenden Mainstreams durch die der 'Autotranszendenz' charakterisiert wurden, biete ich nun die Bremsung als die beiden zugrunde liegende Funktion an. Diese Funktion konnte auf dieser Seite anhand einiger Animationen skizziert werden. Es fehlen aber wichtige Darstellungen der Variationen dieser Funktion und der argumentative Beleg, dass sie sowohl der Perspektive der Täter als auch die des Mainstreams zugrunde liegt.

Im Buch 'Aus-einander-setzung mit Gewalt' folgen nach der Darstellung der Bremsung folgende Schritte. Diese Schritte nenne ich hier, führe sie aber nicht weiter aus.

1. Individuelle Variationen

Anhand von Reichs Charakterologie kann aufgezeigt werden wie die Bremsung insbesondere auf der psychischen Ebene variiert. Indem ich spezifische Merkmale der Neurose und der emotionalen Pest kontrastiere werden die Variationen deutlich. Ein kurzer Textausschnitt:

"Beim Neurotiker steht die Regulation (Struktur) im Vordergrund, beim emotionalen Pestkranken die Handlung (Bewegung). Es ist eine Handlung, die weder vom biologischen Kern reguliert wird, noch sich der Ersatzregulation unterordnet.
Die neurotische Person verortet sich primär auf der dritten Schicht. Hier sind ihr das Denken und die Ideale wichtig. Beides wird in Abgrenzung zu den Impulsen gebildet. Sehnsüchtiges Verlangen und gleichzeitige Abwehr sind hier typisch. Demzufolge fallen Denken bzw. Ideale und Handlungen auseinander. Mit einigen Einschränkungen ist der Neurotiker durchaus Argumentationen gegenüber aufgeschlossen, die seine Struktur in Frage stellen. Diese Aufgeschlossenheit funktioniert aber nur, weil dieses Denken für seine Handlungen weitgehend ohne Bedeutung ist.

Das ist beim emotionalen Pestkranken völlig anders: Denken und Handlungen stehen hier im Einklang. Allerdings ist dieses Denken durch „irrationale Begriffe völlig getrübt und wesentlich durch irrationale Emotionen bestimmt.“ [6] Diese Kongruenz in Denken und Handeln, die Eindeutigkeit seiner Person ist ihm sehr wichtig. Daher ist er kritischen Argumenten gegenüber unzugänglich.
Solange man darlegt, dass die Unterdrückung der eigenen Triebe erst die sekundären Impulse schafft, folgt die Person noch. Schlägt man aber „die Aufhebung der sekundären Triebe durch Freilegung der natürlichen Bedürfnisbefriedigung vor, dann durchbricht man zwar das Denksystem des Pestkranken, aber er reagiert darauf typischerweise nicht mit Einsicht und Korrektur, sondern mit irrationalen Argumenten, mit Schweigen oder gar mit Hass; das heißt es ist ihm emotionell wichtig, dass sowohl Verdrängung wie sekundäre Triebe bestehen bleiben. Er hat Angst vor den natürlichen Antrieben.“ [7]

Die Handlungen des Neurotikers werden nicht von kräftigen Motiven vorangetrieben. Er ist nur eingeschränkt handlungsfähig und die Motive sind „affektleer oder widerspruchsvoll“. Dementsprechend sehen auch seine Handlungen aus: „Er fürchtet, in irgendeiner Betätigung voll auszuschwingen, denn er ist nie ganz sicher, ob sadistische oder andere Impulse mit durchbrechen werden oder nicht; er leidet gewöhnlich unter der Einsicht seiner Lebenshemmung.“ [8]
Ganz anders sieht das auf der Seite der emotionalen Pest aus: hier steht das kräftige Ausagieren im Vordergrund. Er konfrontiert seine Umwelt mit dem ungehinderten sekundären Impuls."

[6] Reich (1981): Charakteranalyse. S.259; in dem Einklang von Denken und Handlung stimmt er mit dem genitalen Charakter überein.
[7] Reich (1981): Charakteranalyse. S.260
[8] Reich (1981): Charakteranalyse. S.260

2. Aggressive und Defensive Bremsung

Im nächsten Schritt differenziere ich die Bremsung nach zwei Schwerpunkten: Zum einen geht es um den Schwerpunkt, wo der Widerspruch zwischen der Struktur (3.Schicht) und der Bewegung (2. Schicht) im Vordergund steht. Dies nenne ich Aggressive Bremsung.
Zum anderen geht es um den Schwerpunkt, indem die Aufspaltung und die Trennung zwischen beiden Bereichen im Vordergrund steht. Dies nenne ich Defensive Bremsung.

In der Aggressiven Bremsung geht es um Druck und Gegendruck. Im Vordergrund steht der Konflikt zwischen dem auf Durchbruch sinnenden Impuls und der repressiven Regulierung.
In der Defensiven Bremsung steht das strukturlose Ausagieren und die liberale Regulierung nebeneinander.

Die Differenzierung zwischen Aggressiver und Defensiver Bremsung ist v.a. in der späteren Diskussion wichtig.

 

3. Die Soziale Bremsung

Die Gesellschaft hat keine Psyche und kann somit auch nicht neurotisch sein. Um die Autotranszendenz und die Ausgegrenzte Bewegung mit all ihren Variationen zu verstehen, werden sie in der weiteren Argumentation als Variationen der Sozialen Bremsung charakterisiert.

3.1 Beziehung zwischen individueller und sozialer Ebene

Vorweg müssen die beiden Ebenen Individuum und Sozial in Beziehung gesetzt werden. Es wird beschrieben was darunter zu verstehen ist, dass beide Ebenen zwar sehr unterschiedlich sind aber eben auch in der Bremsung identisch sein können.

3.2 'Ausgegrenzte Bewegung' als Variation der Bremsung

Als einen wesentlichen argumentativen Schritt führe ich hier die Perspektive der gewalttätigen Jugendlichen auf die Bremsung zurück. Dabei nutze ich die drei zentralen Merkmale: Auseinanderfallen von Bewegung und Struktur (Aufspaltung), Widersprüchlichkeit von Bewegung und Struktur und Abhängigkeit von Bewegung und Struktur. Anschließend differenziere ich das Gesagte noch nach Aggressiver und Defensiver Bremsung.

3.3 'Autotranszendenz' als Variation der Bremsung

Analog dazu gehe ich auch bei der Perspektive des Mainstreams vor.

3.4 Identität und Variation

Nachdem beide Perspektiven auf eine zugrunde liegende Funktion zurückgeführt wurden, können sie über diesen gemeinsamen Bezugspunkt ganz neu in Beziehung gesetzt werden. So kann ich unter anderem beschreiben, wie ein Wechsel zwischen den Variationen aussieht.

3.5 Aus-einander-setzung mit Gewalt

Jetzt ist es auch möglich eine weitere Variation zu beschreiben, die die Interaktion zwischen den Jugendlichen und dem Mainstream verdeutlicht: die Aus-einander-setzung mit Gewalt.

In dieser Variation werden beide Formen der Auseinandersetzung mit Gewalt als eine aufeinander bezogene Einheit betrachtet. Indem sie mit bestimmten Teilen der sozialen Bremsung identifiziert werden, kann die Dynamik bzw. Interaktion treffend charakterisiert werden.
Was zu Hochzeiten der Gewaltdebatten stattfindet, kann so auch als eine Form der Aufspaltung, Gegensatzanordnung bei gleichzeitiger Abhängigkeit beschrieben werden.

Es wird sich aus ein ander gesetzt. Die Unterschiede (ander) werden dabei betont, die Festsetzung der Gegenüberstellung aber verschwiegen. Völlig übersehen wird, dass aus der Einheit das Andere aufgespalten wurde und sich gegenübersetzt.

Diese neue Einheit bringt immer die Aufspaltung, Gegensatzanordnung und Abhängigkeit zum Ausdruck: Starre und gleichzeitige Heftigkeit.

 

4. Die neue Position

In dem polaren System von Gewalttätern und sich mit dieser Gewalt auseinandersetzenden Mainstream gibt es nur die Alternative der beiden Seiten.

Wenn klar ist, dass die beiden Perspektiven zwar ihre spezifischen Merkmale haben, aber trotzdem in der sozialen Bremsung identisch sind, stellt das das polare System als solches in Frage.
Wenn darüber hinaus klar ist, dass auch die Interaktionen zwischen den beiden Polen mit der Funktion der Bremsung beschrieben werden kann, so verändert das grundsätzlich die Position zu den jeweiligen Perspektiven.
So ist aufgrund der Abhängigkeit klar, dass eine Stärkung der einen Seite immer auch die andere Seite stärkt. Es ist letztlich so nicht möglich, die Gewalt zu bekämpfen. Die Gewalt auszugrenzen heißt die Aufspaltung voranzutreiben, sich stärker auf der dritten Schicht verorten und hier die Ordnung zu stärken. Gleichzeitig stärkt und modifiziert dies die sekundäre Schicht und führt so zu einem erneuten Durchbruch der Gewalt.

Nur eine veränderte Position kann aus dieser periodisch auftretenden Bearbeitung der Gewalt herausführen. Diese neue Position wird beschrieben und in den Möglichkeiten und Grenzen diskutiert.
Wichtig ist mir dabei aber auch die Interaktion zwischen der sozialen Bremsung und dieser neuen Position.

 

5. Diskussion

In einem abschließenden Kapitel findet eine rückblickende und weiterführende Diskussion der Arbeit statt.

5.1 Methodisch

Hat sich der orgonomische Funktionalismus als argumentationsleitende Methode bewert?
Wurde die Arbeit dieser Methode gerecht?
Wo liegen die Grenzen und Möglichkeiten?
Was kann für eine zukünftige sozialwissenschaftliche orgonomische Forschung aus dieser Arbeit abgeleitet werden?

5.2 Inhaltlich

Konnten die jeweiligen Formen der Auseinandersetzung mit Gewalt gut charakterisiert werden? Sind sie in ihrer jeweiligen Differenziertheit, aber auch in ihrer Einfachheit deutlich geworden?
Konnte eine Funktion beschrieben werden, in der beide Perspektiven trotz aller Unterschiede identisch sind?
Wie sieht ein Gesamtbild der Untersuchung aus?

Was muss sich ändern, um das periodische Auftauchen der Konstellation der Auseinandersetzung mit Gewalt überflüssig zu machen? Welche Schritte liegen da an?
Welche Bedeutung hat dabei die sozialwissenschaftliche Forschung und welche Ansprüche werden an sie gestellt?

Die Arbeit endet mit der Entwicklung des Begriffs der 'animalischen Moral', die eine neue Perspektive aufzeigen kann.